Montag, 17. August 2015

10. Wie die Funde auf den Acker kamen...

Immer wieder staunen die Menschen, denen ich meine Funde zeige, über selbige. Sie können sich gar nicht vorstellen, warum Münze xy oder Knopf xy mitten auf einem Acker liegt, wo doch das nächste Haus erst 300m entfernt steht.

Natürlich gibt es nicht "die" Erklärung für solche Fragen. Wir müssen uns zunächst einmal klar machen, dass viele Dinge zur damaligen Zeit Abfallprodukte oder irreparabel waren. Oftmals sind es Dinge, die wir heute auch als Müll bezeichnen würden. Dazu zählen Aluschmelzreste (welche wohl mal ins Feuer geraten sind), Alufolie (auch ein Bauer hat auf seinem Trecker mal Hunger) und Bleireste (Blei wird unter anderem bei der Herstellung von Silber gewonnen und war damals ein beliebter Werkstoff, da es leicht formbar war und einen niedrigen Schmelzpunkt besaß. Außerdem war es gerade in der Neuzeit recht billig.). Der wichtigste Müll ist für uns aber immer noch die Keramikscherbe. Was sollte der Bauer/die Bäuerin auch anderes mit dem kaputten Gefäß machen, als es wegzuschmeißen, nachdem es zerbrochen war. Immerhin konnte es nicht geklebt werden, bzw. wäre es nicht mehr wasserundurchlässig geblieben. Davon mal abgesehen, dass es im Mittelalter oder der Frühen Neuzeit oder noch früher keinen Kleber mal eben so gab.

Nun komme ich automatisch zum nächsten Punkt. Denn wir müssen das ausblenden, was für uns selbstverständlich ist. Denn in Zeiten, wo Missernten noch große Hungerkrisen bedeuten, gibt es keine extra "Müllmänner" im heutigen Sinne. Gerade der Müll in den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten wird einfach auf die Straße gekippt. Wir kennen das aus vielen Filmen oder Zeichentrickfilmen, wo der Protagonist eine Ladung Abfall von oben abbekommt, während er die Straße entlangläuft.


Der mittelalterliche Mülleimer schlechthin war aber nicht die Straße, sondern eher etwas was wir unter einem Mülleimer verstehen - die Latrine. In ihr wurde nicht nur die Notdurft entrichtet, sondern auch Abfälle.
Ging ein Krug kaputt: hinein damit!
Fiel etwas aus der Hosentasche ins Klo, während man sie auszog: hinein damit!
Ein Möbelstück ging kaputt, so war es doch immer noch gut als Brennstoff zu verwenden. Die Asche gehörte wohin? Natürlich ins Klo. (mit der Asche natürlich auch Möbelbeschläge und Griffe, die sehr häufig gefunden werden)
Abgeholt wurde das "Gut" vor allem von Landwirten, die den Mist auf ihre Felder streuten. Diese Felder nahe der Stadtmauern tragen daher gerne mal den passenden Namen "Fäkalienacker". Hierbei gibt es übrigens auch ein nettes Beispiel aus der Spellener Geschichte.

"Die Befreiung des Bauernstandes von der Leibeigenschaft, vom Frondienst und den vielen Lasten erfolgte erst Ende des 18. Jahrhunderts. Die Besitzer der Höfe mußten für die Landesherren Hand- und Spanndienste leisten. Es wurde unterschieden zwischen Vollbauern, Halbbauern und Schüppenkäter. Der Vollbauer diente mit zwei Pferden, der Halbbauer mit einem Pferd und der Schüppenkäter mit der Schüppe. Nur einige Höfe waren dienstleistungsfrei.
Hier einige Dienstleistungen:
[...] Nach Abzug der feindlichen Truppen aus Wesel, mußten im Mai 1763 jeden Tag drei Spellener Bauern nach Wesel um den Unrat aus der Stadt abzufahren."
- "Spellen im Wandel der Geschichte". Broschüre zur 1200 Jahrfeier der Gemeinde Spellen.
 
 Häufig finden sich alte Münzen, vor allem aus dem letzten Jahrhundert, auf den Ackerflächen. Dies mag nicht nur damit zusammenhängen, dass man sie verloren hat, sondern auch mit dem Aberglaube der Bauern. Gerade im 17. oder 18. Jahrhundert wurden Heiligenanhänger, also kleine Plaketten mit einem Heiligen darauf, die priesterlich geweiht wurden, auf dem Acker vergraben, um Gott für eine gute Ernte zu danken oder zu bitten. Dieses Vorgehen war vor allem in katholischen gebieten der Fall. Auch die Münzen können in diese Kategorie fallen, denn gerade durch die Währungsreformen 1923/1924 mit der vorangehenden Inflation und der Währungsreform von 1948 wurde das alte Geld nutzlos, also hat man es vllt. auf dem Acker als "Opfer" vergraben. Als Beispiel sei hier auch eine der häufigsten gefundenen Münzen gezeigt, welche schon durch das Motto "Sich regen bringt Segen" gut in die Landwirtschaft passt. Gerade diese Münze wurde mit der Hyperinflation von 1923 absolut wertlos und ab 1924 gab es auch eine komplett neue Währung - die Reichsmark.

50 Reichspfennig von 1920 mit rückseitigem Motto "Sich regen bringt Segen"


Als letzten wichtigen Punkt sind alte Wege zu erwähnen. Dort wo sich Menschen entlang bewegten wird man auch mehr finden, als mitten im Nirgendwo. Das sollte klar sein. Dennoch muss auf eines hingewiesen werden: die Straßen waren nicht wie heute asphaltiert, d.h. Gegenstände konnten schnell in der Erde verschwinden. Der Asphalt ist ja quasi undurchlässig. Dadurch entsteht auch ein ganz natürliches Phänomen. Wenn es lange auf eine gut befahrene Handelsstraße regnet, die nicht asphaltiert ist, entsteht durch die Pferde und Wagenräder ein schöner Morast, in dem man hinfällt (-> es fällt wieder etwas aus den Taschen) oder auch gerne mal die Schnalle vom Schuh (es gab noch keine Schnürsenkel) abreißt.
Gerade durch die Flurbereinigung wurden viele alte Wege "entfernt", bzw. sie wurden nicht mehr befahren, sie lagen plötzlich mitten im Acker. Dadurch liegen die Funde, die auf dem Weg verloren wurden, nun auch mitten auf dem Acker. Anhängend auch noch ein Beispiel eines durch einen Acker verlaufenden Weges. Es handelt sich dabei um einen Weg, der an das damalige Ende der Rheinstraße anschloss (wo heute die letzten Häuser stehen, wenn man aus Spellen die Rheinstraße entlang Richtung Mehrumer Straße fährt) und verlief geradewegs auf die Mehrumer Straße bei Ork zu, also quer durch das Orksche Feld.

Aktuelle Topographische Karte

Der Weg aus der Uraufnahme um 1835

Der Weg aus der Neuaufnahme um 1900 (nur das schwarze ist die Neuaufnahme, die aktuelle topographische Karte ist "daruntergelegt")
Karte von 1962; nach der Flurbereinigung ist der Weg verschwunden, die Rheinstraße reicht jetzt bis an die Mehrumerstraße heran

Der Weg heute im Bodenrelief. Auch heute noch ist der Weg sichtbar durch seine Erhöhung zu erkennen

Der Weg ist durch den Pflanzenbewuchs sichtbar gemacht, da er aus festerer Erde wie der umliegende Acker besteht und die Pflanzen dadurch schlechter wachsen können (Google Earth 2012)


Montag, 10. August 2015

9. Update Franzosenknöpfe

Bisher hatte ich erst zwei französische Knöpfe hier (Link: Klick mich) und hier (Link: Klick mich) vorgestellt. Auf einem Feld nicht weit von den beiden anderen Feldern, fand ich im Spätsommer 2014 einen weiteren Knopf. Er ist deutlich kleiner als die vorherigen, misst nur 16mm (die bereits vorgestellten messen 23mm) und trägt die Zahl "49". Das 49e régiment d'infanterie nahm unter anderem an der Verteidigung von Paris teil, welche vom 19. September 1870 bis zum 28. Januar 1871 dauerte.

Erst gestern fand ich einen weiteren Knopf, der wieder die gleiche Größe hatte wie die ersten hier vorgestellten Knöpfe. Er misst 23mm und trägt die Zahl "79". Dieses Regiment kämpfte neben vielen anderen bei der, für diesen Krieg, berühmten Schlacht von Sedan. Noch heute tragen viele Straßenzüge in älteren Städten diesen Namen (z.B. in Dinslaken), bedeutete er doch die Gefangennahme einer großen französischen Armee und des damals regierenden Kaisers: Napoleon III. Im Kaiserreich war es deshalb üblich den Sedantag (Link: Klick mich) zu feiern, symbolisierte er doch den Sieg über das damals verhasste Frankreich und die damit verbundene Gründung des Zweiten Deutschen Kaiserreiches am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles, in dem dann natürlich auch der Vertrag von Versailles unterschrieben wurde, der wiederum das Ende des 1. Weltkrieges 47 Jahre später darstellte.

Es passt daher ganz gut, dass die beiden Knöpfe quasi schon ab dem Spätsommer/Herbst mit ihren Besitzern hier ankamen und im dann später errichteten Barackenlager von Friedrichsfeld oder bei den Bauern (was hier zweifelsohne der Fall ist, wurden sie doch wohl bei Ackerarbeiten verloren) wohnten.