Dienstag, 29. Dezember 2015

16. Lesefunde Keramik


Wie versprochen soll es hier nun um nichtmetallische Funde gehen, die ich mithilfe meiner Augen finde. Der letzte Teil des Satzes mag zwar blöd klingen, soll aber in aller Deutlichkeit betont werden, denn immer wieder zeige ich Menschen meine Funde, die ich mithilfe des Detektors finde. Gleichzeitig recke ich dann immer eine Tüte mit Keramik hoch, um zu zeigen, dass da auch noch anderes liegt. Darauf kommt dann aber immer wieder die Frage: "Zeigt das Gerät das auch an?" oder:"Wie machst Du das? Der findet doch nur Metall, oder?"
Wegen Fragen wie diese, die in der Nachbetrachtung doch ein wenig albern klingen, wollte ich hier einen Post dazu verfassen.

Keramikfunde selbst können eine Menge Aufschluss über die Vergangenheit gewähren. Denn dort, wo Keramikscherben auftreten, kann auch mit metallischen Funden gerechnet werden, die nicht neuzeitlich sind. Wie ich in meinem 10. Post Wie die Funde auf den Acker kamen (Link: Klick mich) schon geschrieben habe, wurde Keramik, die unbrauchbar wurde oder gar herunterfiel, als Abfallprodukt auf den Misthaufen geworfen, der wiederum auf die Felder kam. Anhand dieser Funde, kann man daher schnell mit bloßem Auge erkennen, ob man es hier mit einem Fäkalienacker zu tun hat, auf dem mit guten Funden zu rechnen sein kann oder nicht. Doch nicht nur das kann wichtig sein, sondern auch wie lange der Acker als Fäkalienfeld genutzt wurde, sowie eine frühere Besiedlung kann datiert werden.

Im Folgenden sind daher ein paar Bilder von Keramik in situ anzuschauen, sowie noch einmal als Gesamtbild. Zuerst ein paar Scherben der Niederrheinischen Irdenware aus dem 18./19. Jahrhundert und darunter welche aus dem Mittelalter oder älter.





drei Scherben von oben in Bildmitte
Nahaufnahme

ausgebuddelt










Ein Henkel

Nahaufnahme


Die gereinigten Scherben eines Suchtages. Die orangen Scherben sind hauptsächlich Niederrheinische Irdenware aus dem 18./19. Jahrhundert. Oben rechts die drei Scherben, die zusammenlagen und auch zusammenpassen.

Rückseiten


von oben

Nahaufnahme

auf der Hand

von oben

von nahem

in der Hand

am Maisstoppel

Nahaufnahme

auf der Hand

Montag, 21. Dezember 2015

15. Frohe Weihnachten und einen guten Start ins Neue Jahr 2016!




Liebe Leserinnen und Leser,

das Jahr 2015 war für mich, speziell was das Thema Sondeln angeht, ein überaus erfolgreiches. Es haben sich viele neue Fundstellen ergeben, die durchaus einer genaueren Betrachtung in den kommenden Jahren bedürfen. Dabei sind neben "normalen" Äckern auch Flächen hinzugekommen, auf denen tatsächlich etwas stattfand. So wurde mit der Hilfe von zwei neuen Mitstreitern, denen ich hier an der Stelle recht herzlich danken möchte, ein Lager aus dem Achtzigjährigen Krieg (1568-1648) gefunden, welches bis dahin noch gänzlich unbekannt war. Ein Post dazu wird noch folgen. Es konnten daher neue Bande geknüpft werden, welche das Projekt "Prospektionen in Voerde" etwas vereinfachen, da schneller Flächen auf ihre historische Bedeutung abgesucht werden können.

Neben den interessanten Flächen sind natürlich die Funde an sich von großer Bedeutung. Wie ich bereits in Die Römer bei uns in Voerde (Link: Klick mich) zwei Münzen vorstellen konnte nicht von mir gefunden!), sind im letzten halben Jahr noch einmal drei Stück hinzugekommen. Evtl. auch ein römischer Riemenbeschlag. Diese habe ich noch nicht vorgestellt, da sie ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung bedürfen und ich nicht genug Wissen von der Materie habe. Meine sämtlichen Funde, die ich vom Ende des Jahres 2015 bis Mitte Dezember diesen Jahres gemacht habe, liegen noch in Xanten zur Begutachtung. Gerade bei Münzen dauert es länger, da die zuständige Fachperson in Bonn sitzt und alle Münzen, die im Rheinland gefunden werden, begutachten muss. Dies dauert dann gerne mal ein Jahr.

Doch es geht nicht immer nur um metallische Funde, denn auch die Oberflächenfunde habe ich in diesem Jahr für mich entdeckt, wofür man auch erst einmal ein Auge entwickeln muss (ein Post dazu wird in ca. einer Woche online gestellt). So wurde im Sommer diesen Jahres ein Fäkalienacker (s. Wie die Funde auf den Acker kamen) (Link: Klick mich) ausfindig gemacht, der vor allem im 18./19. Jhd. genutzt wurde, aber auch früh- bis hochmittelalterliche Keramik vorzuweisen hatte. Gestern entdeckte ich eine weitere römische Münze. In ihrer Nähe fand sich eine Menge mittelalterlicher Keramik, evtl. auch germanische, die auf eine Siedlungsstelle zu Römerzeiten hindeuten würde, aber da habe ich wenig Fachwissen, um das richtig einschätzen zu können. Es wäre daher bahnbrechend, da wir bisher nur aus etymologischen und organisatorischen Gründen eine Besiedlung der Germanen im Raum Götterswickerhamm vermuten. Dies hat vor allem mit dem alten Gerichtsplatz zu tun, welches als Verfahren schon bei den Germanen (Thing) vorherrschte.

Immer wieder sehe ich z.T. hohe Klickzahlen auf meinem Blog. Falls das hier jemand liest, kann er ja gerne antworten, bzw. diesen oder andere Posts kommentieren. Die Funktion dazu sollte verfügbar sein. Und sei es nur ein Lob oder ein Verbesserungsvorschlag, es würde mir ein wenig mehr das Gefühl geben, dass hier jemand mitliest.

Zum Schluss wünsche ich allen, die bis hierhin gelesen haben, ein frohes Weihnachtsfest mit besinnlichen Feiertagen und einen guten Rutsch ohne Rutschen ins Neue Jahr (sollte bei den Temperaturen machbar sein). Wie geschrieben geht es zwischen Weihnachten und Neujahr mit einem neuen Post weiter und im neuen Jahr dann mit einem römischen Denar.

Mit vorweihnachtlichen Grüßen
Fabian Merker

Dienstag, 15. Dezember 2015

14. Ein unschöner Fund - oder: Es hätte Bumm machen können

Ich will hier auch mal auf unschöne Funde kommen. Mein vermutetes Lager hatte ich hier (Link: Klick mich) ja bereits vorgestellt. Auf der gleichen Fläche sollte sich aber neben meiner ersten Silbermünze auch mein erster Munitionsfund finden.

Als ich den Grundstückseigentümer ermittelte, gelangte ich zu einem älteren Ehepaar, das die 80 bereits überschritten hatte. Der Mann gab mir die Erlaubnis dort zu suchen. Nebenbei bemerkte er aber auch, dass sein Vater nach dem Krieg dort eine Bombe in einen Trichter geworfen habe. Etwa einen halben Meter tief sollte das Stück liegen. Ich fragte ihn nach der ungefähren Position, damit ich mich darauf einstellen könne.

Ein paar Tage später gelangte ich zu dem Feld und machte mich ans Suchen. Das Feld ist recht klein und so war ich nach kurzer Zeit schon halb fertig, da kam der ältere Herr und meinte, dass die Bombe etwas weiter vorne liegen müsste, also dort, wo ich schon war. Ich war erleichtert, dass sie offenbar tiefer lag, als mein Gerät orten kann.

Was ich nicht wusste war, dass ich sie doch orten sollte, denn das Gedächtnis hatte dem Mann einen Streich gespielt und so kam sie zwei Suchbahnen später in Reichweite. Als ich bemerkte, dass das Signal eine größere Fläche einnahm, begann ich in der Mitte zu graben, denn ich wollte nicht den Zünder am vorderen Ende treffen. Nach etwa einem halben Meter, hatte ich genug gegraben und stieß auf eine rostige Schicht Eisen, die an zwei Seiten etwas rund nach unten ging. Der Körper klang nicht hohl, sodass ich mir recht sicher war, sie gefunden zu haben.

Die z.T. freigelegte Granate. Der Rost ist links und rechts zu erkennen.

Also direkt erst einmal die Polizei verständigt. Es war im Juli und es sollte noch nicht so schnell dunkel werden. Dennoch war es bereits um 20 Uhr herum, bis das blaue Auto erkennbar wurde. Die Beamten wunderten sich natürlich über meine Tätigkeit und die Bombe an sich. Man konnte spüren, dass den beiden Frauen auch nicht ganz wohl in ihrer Haut war, denn auch ich hatte beim Ausgraben, was ich nur teilweise machte, ein fast herausspringendes Herz. Sie verständigten das Ordnungsamt, welches dann am Wochenende notgedrungen ausrücken musste. Mittlerweile hatten sich auch ein paar Anwohner versammelt, die neugierig dem Spektakel beiwohnten. Unter anderem auch ein Redakteur von Radio KW, der später der Indikator für eine kleine Radioreportage über mein Hobby sein sollte, aber dazu später mehr.

Der Mann vom Ordnungsamt hatte wenig Ahnung von Munition, sodass er den Kampfmittelrämdienst verständigte. In Bereitschaft waren allerdings nicht die Experten aus Hünxe, was schön nahe gewesen wäre, sondern zwei aus Düsseldorf. Die hatten selber kurz zuvor noch einen Einsatz und der eine aus Düsseldorf hatte gerade seinen Kollegen nach Neuss gebracht. Also ihn sofort wieder abgeholt und gegen 10/11 Uhr waren sie dann auch endlich da. Wir sollten alle Abstand nehmen und mit Spaten machten sie sich dann ans Herausheben. Mithilfe eines Seils wurde sie dann aus dem Boden gehoben und endlich sahen auch wir das Ausmaß der Granate. Es handelte sich dabei wohl um eine britische 21cm Granate, mit 120kg Kampfgewicht. Mein Vater musste noch beim Einladen der Granate in den Transporter mithelfen.

Der Eigentümer war über die Nachricht recht froh, da er immer Angst hatte, diese beim Pflügen zu treffen und ich war froh, dass nichts mehr passiert ist.

Leider fand sich Anfang diesen Jahres eine weitere Granate eines ähnlichen Kalibers auf dem Feld daneben. Sie konnte auch ohne große Schwierigkeiten entfernt werden.

Die Experten kommen.


Bildunterschrift hinzufügen
Ja, das dahinter ist mein Spaten.
Die Granate, gut erkennbar der Führungsring an der unteren Hälfte.
In voller zweifelhafter Pracht.
Gut verstaut auf der Ablage des Transporters

Die Schleifspur, nachdem die beiden Experten sie zum Auto gezogen hatten.






Montag, 16. November 2015

13. Die Römer bei uns in Voerde

Ja, man mag es gar nicht glauben, aber die Römer haben sich auch mal zu uns auf die andere Rheinseite getraut. Viele denken immer gleich an Xanten, wenn das Stichwort "Römer" fällt. Dennoch können auch wir einige Funde bei uns vorweisen. Zumindest sollen hier die römischen Münzfunde aus dem Raum der Stadt Voerde behandelt werden. Inwiefern sie hier hingelangt sind, kann nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden. Es können nur Vermutungen angestellt werden, die in Betracht gezogen werden müssen.

Zum einen sei hier die Münze des Domitian genannt, welche nahe des Spellener Ortskernes bei Ausschachtungsarbeiten für das Haus Pastwa in der Hahnenstraße gefunden wurde. Er war von 81-96 n. Chr. römischer Kaiser. Durch eine Angabe auf der Münze (CO[n]S[ul] XVII) können wir die Münze sogar recht genau datieren. Er hatte im 17. Jahr das Amt des Konsul inne und sie stammt damit quasi aus seinem letzten Lebensjahr 95/96 n. Chr. Die Münze selbst ist recht abgegriffen und gelocht, was zum einen auf eine schlechte Erhaltung oder einen langen Gebrauch schließen lässt. Die Lochung ist wohl dadurch zustande gekommen, dass sie als Anhänger getragen wurde. Der Fundort selber verwundert nicht direkt, da sich in unmittelbarer Nähe in den Sanddünen eine kleine eisenzeitliche Besiedlung um 400 v. Chr. durch Rudolf Stampfuß feststellen ließ. Möglicherweise wurde diese Gegend zu Römer-/Germanenzeiten weiter/wieder besiedelt. Rudolf Stampfuß geht aufgrund der schlechten Erhaltung von einer Nutzung bis ins zweite Jahrhundert aus. (Heimatkalender Kreis Dinslaken 1957, S. 31)

Damit kommen wir auch schon zur zweiten Münze. Ein Denar (Silbermünze) des Marc Aurel, vielen vor allem durch seinen Titel als "Philosophenkaiser" bekannt. Er regierte von 161-180 n. Chr. Auch diese Münze kann recht gut datiert werden, sodass sie um die Jahre 167/168 n. Chr. geprägt wurde. Gefunden wurde sie auf dem Bahndamm, ca. 30m südlich der Unterführung an der Rheinstraße am ehemaligen Spellener Bahnhof. (Die genaue Angabe stammt aus den Aufzeichnungen von Hermann Hallen. Einsehbar im Dorfarchiv Spellen.) Ob diese Münze durch Aufschüttungen aus dem umliegenden Umland oder von weiter her an diese Stelle kam, ist nicht eindeutig zu beurteilen. Dennoch ist ersteres anzunehmen, wenn man die schlechte Erhaltung des Domitian auf eine lange Nutzung bis ins zweite Jahrhundert n. Chr. zurückführen möchte, sodass diese Münze evtl. im gleichen Zeitraum hier verloren wurde.

Doch wie gelangten diese Münzen nun nach Voerde? Wilhelm Kolks schreibt dazu in seinem Buch "Wo der Kirchturm von Sankt Peter...", dass es nicht weiter verwunderlich sei im Voerder Raum auf Römer zu treffen, reichte die römische Heerstraße doch von den Aaperhöfen über die Lippe, die Spellener Heide, also dem heutigen Friedrichsfeld über Eppinghoven, Kreyenberg, Altenrade und Neumühl bis zur Emscher. Die Quellenangabe zu dieser Begründung liegt aus einem Buch von 1868 vor. Ob es daher noch auf dem entsprechenden Stand ist, kann bezweifelt werden. Auch hier müssen wir uns wieder klarmachen, dass die Heerstraße eher um die Zeitenwende Bestand gehabt haben dürfte, da sich die Römer nach der Varusschlacht 9 n. Chr. in unserer Gegend immer weiter Richtung linker Niederrhein zurückzogen.
Eine weitere interessante Begründung liegt in der Broschüre "Die Kirche Götterswickerhamm" vor. Dort heißt es auf S. 8:
"Ein weiterer Beleg der Germanisierung des Niederrheins ist die ehemalige Thingstätte in Götterswickerhamm an der Straße Unterer Hilding. In dem Thing  (Gerichtsverhandlung) wurden bei den Germanen unter Vorsitz des Stammesoberhauptes Gesetzesbrecher verurteilt und Streitigkeiten geschlichtet. Römische Münzen aus der Zeit zwischen 81 und 96 sowie 161 und 180 n. Chr., ausgegraben bei Bauarbeiten an der Hahnenstraße in Spellen und am Bahnkörper Wesel-Spellen-Walsum, geben Aufschluss vom Handel der rechtsrheinischen Bevölkerung mit den Römern. Letztere verloren die Herrschaft am linken Niederrhein seit 259 Zug um Zug an die Franken, die auch später den Rhein überquerten."

Interessanterweise steht nirgends etwas darüber, dass diese Münzen hier durch Handel hierhin gelangt sein könnten. Es wird aber als Tatsache gesehen, die weder bewiesen, noch von einer anderen Quelle zitiert wird.

Die These von Kolks macht, wie schon beschrieben, wenig Sinn, da die Heerstraße gar nicht mehr genutzt wurde, als die Münzen hierher gelangten. Ob sie durch Handel mit den Germanen zu uns gelangten, kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Eine Ausgrabung eines germanischen Grubenhauses in Voerde-Friedrichsfeld ließ eher weniger römische Waren, als einheimische, vorfinden. Diese These darf daher auch bezweifelt werden. Fakt ist aber auch, dass die Römer auch nach der Varusschlacht noch den Wunsch hatten, Germanien zu erobern und das Land zu befrieden. Dies zeigt sich am besten mit dem Eroberungszug unter Maximinus Thrax, wo auch die kürzlich entdeckte Schlacht am Harzhorn hineinpasst. Dies ist allerdings hundert Jahre zu spät für unsere Münzen. Eventuell gab es ja im 2. Jahrhundert einen kleinen Feldzug?

Die entsprechende Seite aus dem Heimatkalender des Kreises Dinslaken von 1957

Sonntag, 25. Oktober 2015

12. Zwei alte Rheinarme in Voerde

Wer schon einmal mit offenen Augen durch Spellen gelaufen ist, dem wird aufgefallen sein, dass das Gelände westlich der katholischen Kirche recht steil bergab geht. Erst einige Meter weiter steigt es wieder an. Wenn man sich dieses Tal mal in einer Schummerung genau anguckt, fällt sofort auf, dass es wie ein Flussverlauf aussieht. Doch wo ist das Wasser? Offenbar liegt hier ein verlandeter Rheinarm vor.

In den tausenden von Jahren und speziell in den letzten 3.000 Jahren Spellener Besiedlungsgeschichte (auf die ich in weiteren Texten noch eingehen will), gab es keinen Deich. zumindest nicht oder nur stellenweise bis 1930. Der Rhein suchte sich also ständig ein neues Bett. Doch wann floss der Rheinarm quasi an der heutigen St. Peter vorbei? Zumindest nicht seit dem sie dort steht. Seit dem 8. Jahrhundert steht an dieser Stelle nun schon ein Gotteshaus. Höchstwahrscheinlich wird man sie nicht direkt ans Wasser gebaut haben. Folglich floss er vorher dort entlang. Damit ist natürlich gesagt, dass der Rhein mit seinem Hauptstrom etwa an der heutigen Stelle floss, sondern vllt. nur mit einem Nebenarm.

Luftbild von Spellen
westlich vom Dorfzentrum liegt ein alter Rheinarm in Form eines Ohres
der alte Rheinarm vergrößert

Doch es gibt noch ein weiteres deutlicheres Beispiel für einen alten Rheinarm in Voerde. Dies kann man heute schön entlang der Frankfurter Straße zwischen der Steag, Haus Voerde und bis Lohmannshof (kurz vor der Grenzstraße) sehen. Direkt neben der Straße geht es ein paar Meter bergab. Dieser Bogen verläuft kerzengerade von Norden nach Süden und knickt dann nach Westen ab, parallel zur Mehrstraße. Die Gegend dort wird das "Mehr" genannt. Etymologisch fällt sofort auf, dass es dem Meer also Wasser ähnelt. Gerade der breite Rhein könnte dem nicht-schwimmfähigen Bewohner unüberwindbar wie das Meer vorgekommen sein. Noch heute verläuft dort die Momm, die nichts anderes als der alte Rhein ist.

Das Luftbild des angesprochenen Bereiches
Deutlich lässt sich der Rheinbogen in der oberen Hälfte erkennen

Zum Schluss noch ein alter Rheinarm in Rheinberg. Früher ging der Rhein dort direkt an der Stadt vorbei, ähnlich wie man es an der Spellener kath. Kirche noch erahnen kann. Erst im 18. Jahrhudnert wurde der alte Rheinarm mit Hilfe von versenkten Schiffen umgeleitet. Hierbei existierte der heutige rheinverlauf bei Mehrum schon. Die Insel dazwischen, heute vor Rheinberg liegend, bezeichnete man als das "Mehrumer Grind"

Der alte Rheinarm verläuft quasi direkt an der Bebauung vorbei. Der Bogen ist recht deutlich zu erkennen
Deutlich der Bogen in der rechten oberen Ecke, der in Richtung Mitte verläuft
Rechts oben die Festung Rheinberg. Links daneben die Mehrumsche Grind in Sichelform, links daneben eine Schanzenanordnung im heutigen Mehrum. Laut Karte die Belagerung Rheinbergs von 1679.

Mittwoch, 16. September 2015

11. Das Lager am Spellener Bahnhof

 Hier möchte ich nun einmal wieder einen Fall schildern, der für mich noch immer nicht wirklich aufgeklärt ist.

Im letzten Jahr suchte ich nach einem Acker, der in der Nähe meines Hauses lag, damit ich diesen auch zu Fuß erreichen kann, weil ich nicht immer ein Auto zur Verfügung habe. Ich machte also Besitzer und Pächter ausfindig. Der Eigentümer gab mir auch noch einen Tipp, welcher sich zu einer kleinen kuriosen Geschichte entwickelte, aber darauf komme ich ein anderes Mal.

Es handelt sich dabei um einen recht kleinen Acker, doch er ist sehr fundreich. Es fanden sich dabei vor allem Münzen aus dem Kaiserreich, sowie abgeschossene Patronenhülsen und Knöpfe aus der gleichen Zeit. Sollte es hier zu einem Gefecht oder einer Übung gekommen sein? Natürlich macht ein Gefecht vor 1918 keinen Sinn. Der 1. Weltkrieg tobte im Norden Frankreichs, Belgien, im Osten Europas, in Südtirol und vielen anderen Orten, aber nicht in unseren Gefilden. Macht eine Übung mit scharfer Munition in bewohntem Bereich Sinn, wenn ein paar Kilometer weiter westlich der Truppenübungsplatz Friedrichsfeld mit einem Infanterie-Schießstand lag? Diese Ideen waren schnell verworfen, machten sie doch keinen Sinn, bzw. waren sie einfach zu unwahrscheinlich.

Immer wieder finden sich Patronenhülsen auf allen möglichen Feldern. Dabei kommt es zwar nicht so häufig zu einer so großen Anzahl wie es hier der Fall ist, dennoch handelt es sich dabei in der Regel um Jahrgänge, die vor 1918 datieren. Es wurden nämlich gegen Ende des 2. Weltkrieges die Volkssturmleute und Wehrmachtssoldaten mit alter Munition und "museumswürdigen" Waffen ausgestattet. Laut eines Protokolls eines amerikanischen Offiziers soll es beim Übergang der Amerikaner in unserem Kampfabschnitt zu einem "leichten Widerstand" an der Unterführung Rheinstraße gekommen sein, wo besagter Acker auch liegt. Kommen die abgeschossenen Patronenhülsen von diesem kurzen Schusswechsel? Doch warum liegen dann dort die Uniformknöpfe aus dem Kaiserreich in so großer Anzahl? Es scheint also nicht die Lösung oder nur ein Teil des Rätsels zu sein.

Leider können wir den Begriff "leichter Widerstand" nicht weiter definieren. Es kann sich dabei auch um eine einfache Sperrung der Unterführung gehandelt haben wie sie auch an der Mehrstraße wohl zum Einsatz kam. Hierbei wurden Karren mit Steinen vollgepackt und auf die Straße gestellt, damit die Panzer nicht so schnell durchkommen, was natürlich keinen wirklichen Erfolg haben konnte. Möglicherweise handelte es sich aber auch um einen Gefechtsplatz während des Ruhraufstandes. Hierbei kam es zu heftigen Gefechten in Dinslaken und die Festung in Wesel wurde von der Ruhrarmee im März belagert. Im Wikipediaartikel zum Ruhraufstand findet sich auch ein Foto, welches tote Ruhrarmeesoldaten zeigt. Aufnahmeort soll Möllen bei Duisburg, also wahrscheinlich Voerde-Möllen sein. Die alten Uniformen mit den gefundenen Knöpfen könnten tatsächlich noch zu Beginn der Weimarer Republik von der Reichswehr getragen worden sein. Da die Reichswehr Wesel von der Lippe aus belagerte, kann es durchaus realistisch sein, dass sie am Spellener Bahnhof kämpfte oder ein Lager aufschlug.Natürlich könnten dort auch Uniformen weggeworfen oder sogar verbrannt werden sein. Das scheint aber auch weniger realistisch, finden sich doch keine Brandspuren auf den Knöpfen, sowie sind diese in verschiedenen Varianten vorhanden, dass es schon mehrere gewesen sein müssten.

Ausschnitt aus der Geseker Zeitung vom 1. April 1920 über die Kämpfe bei Wesel

Ausschnitt aus der Geseker Zeitung vom 1. April 1920 über die Kämpfe bei Wesel
"Reichswehr und erschossene Angehörige der Roten Ruhrarmee, 2. April 1920, Möllen bei Duisburg" - Wikipediaartikel zum Ruhraufstand 1920

oben: sechs Uniformknöpfe aus dem Kaiserreich, die drei oberen sind Knöpfe eines Gefreiten, die drei in der Mitte von einem Militärbeamten

Teile einer Taschenuhr (links), von Besteck (Mitte) und von Möbeln, der Löwe stammt von einem Säbelgehänge

zwei Bleiplomben, zum Verschließen von Säcken und eine nichtmetallische Kugel

Münzen vom Acker

vom Nebenacker, unten rechts ein Knopf eines sächsischen Soldaten aus Zink, könnte für eine Uniform gegen Ende des Krieges sprechen

gefundene Knöpfe einer ein Jahr später erfolgten Begehung

auch nach erneutem Pflügen finden sich neue Sachen, wichtig hier vor allem die Schnalle, die von einem Soldatenrucksack stammen könnte
weitere Funde, unter anderem ein Ring einer Zeltplane, die auf ein Lager schließen lassen könnte

eine Türklinke

gefundene Hülsen und hier bereits vorgestellte Franzosenknöpfe, unten auch noch einmal recht große Granatsplitter, die durch den Beschuss des Spellener Bahnhofes dort in großen Mengen liegen

links eine Hülse eines französischen Lebel-Gewehres (Beutemunition für den Volkssturm?), rechts eine Mosin-Naganthülse für ein russisches Gewehr

links die Lebelhülse, rechts die Mosin-Naganthülse