Mittwoch, 16. September 2015

11. Das Lager am Spellener Bahnhof

 Hier möchte ich nun einmal wieder einen Fall schildern, der für mich noch immer nicht wirklich aufgeklärt ist.

Im letzten Jahr suchte ich nach einem Acker, der in der Nähe meines Hauses lag, damit ich diesen auch zu Fuß erreichen kann, weil ich nicht immer ein Auto zur Verfügung habe. Ich machte also Besitzer und Pächter ausfindig. Der Eigentümer gab mir auch noch einen Tipp, welcher sich zu einer kleinen kuriosen Geschichte entwickelte, aber darauf komme ich ein anderes Mal.

Es handelt sich dabei um einen recht kleinen Acker, doch er ist sehr fundreich. Es fanden sich dabei vor allem Münzen aus dem Kaiserreich, sowie abgeschossene Patronenhülsen und Knöpfe aus der gleichen Zeit. Sollte es hier zu einem Gefecht oder einer Übung gekommen sein? Natürlich macht ein Gefecht vor 1918 keinen Sinn. Der 1. Weltkrieg tobte im Norden Frankreichs, Belgien, im Osten Europas, in Südtirol und vielen anderen Orten, aber nicht in unseren Gefilden. Macht eine Übung mit scharfer Munition in bewohntem Bereich Sinn, wenn ein paar Kilometer weiter westlich der Truppenübungsplatz Friedrichsfeld mit einem Infanterie-Schießstand lag? Diese Ideen waren schnell verworfen, machten sie doch keinen Sinn, bzw. waren sie einfach zu unwahrscheinlich.

Immer wieder finden sich Patronenhülsen auf allen möglichen Feldern. Dabei kommt es zwar nicht so häufig zu einer so großen Anzahl wie es hier der Fall ist, dennoch handelt es sich dabei in der Regel um Jahrgänge, die vor 1918 datieren. Es wurden nämlich gegen Ende des 2. Weltkrieges die Volkssturmleute und Wehrmachtssoldaten mit alter Munition und "museumswürdigen" Waffen ausgestattet. Laut eines Protokolls eines amerikanischen Offiziers soll es beim Übergang der Amerikaner in unserem Kampfabschnitt zu einem "leichten Widerstand" an der Unterführung Rheinstraße gekommen sein, wo besagter Acker auch liegt. Kommen die abgeschossenen Patronenhülsen von diesem kurzen Schusswechsel? Doch warum liegen dann dort die Uniformknöpfe aus dem Kaiserreich in so großer Anzahl? Es scheint also nicht die Lösung oder nur ein Teil des Rätsels zu sein.

Leider können wir den Begriff "leichter Widerstand" nicht weiter definieren. Es kann sich dabei auch um eine einfache Sperrung der Unterführung gehandelt haben wie sie auch an der Mehrstraße wohl zum Einsatz kam. Hierbei wurden Karren mit Steinen vollgepackt und auf die Straße gestellt, damit die Panzer nicht so schnell durchkommen, was natürlich keinen wirklichen Erfolg haben konnte. Möglicherweise handelte es sich aber auch um einen Gefechtsplatz während des Ruhraufstandes. Hierbei kam es zu heftigen Gefechten in Dinslaken und die Festung in Wesel wurde von der Ruhrarmee im März belagert. Im Wikipediaartikel zum Ruhraufstand findet sich auch ein Foto, welches tote Ruhrarmeesoldaten zeigt. Aufnahmeort soll Möllen bei Duisburg, also wahrscheinlich Voerde-Möllen sein. Die alten Uniformen mit den gefundenen Knöpfen könnten tatsächlich noch zu Beginn der Weimarer Republik von der Reichswehr getragen worden sein. Da die Reichswehr Wesel von der Lippe aus belagerte, kann es durchaus realistisch sein, dass sie am Spellener Bahnhof kämpfte oder ein Lager aufschlug.Natürlich könnten dort auch Uniformen weggeworfen oder sogar verbrannt werden sein. Das scheint aber auch weniger realistisch, finden sich doch keine Brandspuren auf den Knöpfen, sowie sind diese in verschiedenen Varianten vorhanden, dass es schon mehrere gewesen sein müssten.

Ausschnitt aus der Geseker Zeitung vom 1. April 1920 über die Kämpfe bei Wesel

Ausschnitt aus der Geseker Zeitung vom 1. April 1920 über die Kämpfe bei Wesel
"Reichswehr und erschossene Angehörige der Roten Ruhrarmee, 2. April 1920, Möllen bei Duisburg" - Wikipediaartikel zum Ruhraufstand 1920

oben: sechs Uniformknöpfe aus dem Kaiserreich, die drei oberen sind Knöpfe eines Gefreiten, die drei in der Mitte von einem Militärbeamten

Teile einer Taschenuhr (links), von Besteck (Mitte) und von Möbeln, der Löwe stammt von einem Säbelgehänge

zwei Bleiplomben, zum Verschließen von Säcken und eine nichtmetallische Kugel

Münzen vom Acker

vom Nebenacker, unten rechts ein Knopf eines sächsischen Soldaten aus Zink, könnte für eine Uniform gegen Ende des Krieges sprechen

gefundene Knöpfe einer ein Jahr später erfolgten Begehung

auch nach erneutem Pflügen finden sich neue Sachen, wichtig hier vor allem die Schnalle, die von einem Soldatenrucksack stammen könnte
weitere Funde, unter anderem ein Ring einer Zeltplane, die auf ein Lager schließen lassen könnte

eine Türklinke

gefundene Hülsen und hier bereits vorgestellte Franzosenknöpfe, unten auch noch einmal recht große Granatsplitter, die durch den Beschuss des Spellener Bahnhofes dort in großen Mengen liegen

links eine Hülse eines französischen Lebel-Gewehres (Beutemunition für den Volkssturm?), rechts eine Mosin-Naganthülse für ein russisches Gewehr

links die Lebelhülse, rechts die Mosin-Naganthülse

















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